Ungewöhnlicher Jahresbericht: Datenschützer und Polizei an den Pranger gestellt
Die obersten Datenschützer der Länder sind dafür bekannt, öffentlich laut und deutlich auf Datenschutzverstöße in Unternehmen hinzuweisen. Aber diesmal war alles anders.
Helga Block, die Landesdatenschutzbeauftragte von NRW, geht demnächst in den Ruhestand. Jetzt hat sie ihren letzten Jahresbericht vorgelegt. Und darin teilt sie kräftig aus. Im Kern geht es nicht um Unternehmen, vielmehr stehen Bundesbehörden im Zentrum ihrer Kritik.
Sportverein, Stromabrechnung, Apotheken
Im Jahr 2019 kam es zu 2200 angezeigten Datenpannen in Nordrhein-Westfalen. Helga Block verzeichnete im selben Zeitraum sogar 12500 Eingaben. Der Umgang damit brachte nichts wirklich Gravierendes zutage. Freizeitsportler im Erwachsenenalter müssen akzeptieren, dass über ihre Aktivitäten Spielberichte und Meldungen im Internet veröffentlicht werden dürfen. Allerdings gilt dies nicht für Kinder: da muss für solche Veröffentlichung eine Genehmigung von elterlicher Seite vorliegen.
Nächstes Beispiel: Besucher einer Parteienveranstaltung waren aufgefordert worden, Ihren Personalausweis als Bilddatei abzugeben. Klarer Fall: Das verstößt gegen den Datenschutz. Im vergangenen Jahr haben die Datenschützer in NRW verstärkt den Online-Handel, Apotheken und Leiharbeitsfirmen unter die Lupe genommen. Helga Block ist jedoch vor allem das „Smart Metering“ ein Dorn im Auge. Dies ermögliche, unbemerkt mittels Datenanalyse des privaten Stromverbrauchs ein Verhaltensprofil der Nutzer anzulegen. Die von der Wohnwirtschaft gepriesenen „intelligenten Stromzähler“ sind zumindest für die Datenschützerin ein heißes Eisen.
Patzer bei den Ordnungshütern
Besonders die Polizei nahm Helga Block ins Visier. So beanstandet sie die strategische Fahndung, die unlängst eingeführt wurde, als datenschutzrechtlichen Fauxpas. Die Polizei des Bundeslandes hatte 2019 Tausende Passanten kontrolliert, um deren Identität festzustellen. Allerdings ohne erkennbaren Nutzen. Helga Block sieht mit dieser Erfolglosigkeit auf Kosten des Datenschutzes ihre „Befürchtungen bestätigt“. Der eigentliche Zweck der strategischen Fahndung in NRW war das Aufspüren von Einbrechern gewesen. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen wurden 5000 Menschen und mehr als 2000 Fahrzeuge offenbar aufs Geratewohl kontrolliert worden. 44-mal war das polizeiliche Datensammeln angeordnet worden. Dabei wurden Daten erfasst und polizeilich verarbeitet, ohne dass dazu ein konkreter Anlass bestanden hatte. Dies ist die eine, für Datenschützer ohnehin nicht annehmbare Seite.
Keinerlei Erkenntnisse ableitbar
Nicht ein einziger verwertbarer Hinweis auf eine bevorstehende Straftat konnte aus den massenhaft gesammelten Daten gewonnen werden. Die forcierten Polizeikontrollen hatten nicht einmal abschreckend gewirkt, waren also auch als Prävention ein Fehlschlag. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, verdankt die Polizei in NRW einem neuen Polizeigesetz. Entsprechend kritisch sah Block die Polizeiarbeit des letzten Jahrs aus der Perspektive des Datenschutzes – diese außergewöhnliche Schelte wurde vermutlich auch in den Ministerien der anderen Bundesländer mit Erstaunen zur Kenntnis genommen.
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