Entsteht durch Datenschutz-Projekte ein Wettbewerbsvorteil?
Beinahe drei Jahre ist es her, als die Datenschutz-Profis des Verbands Bitkom 500 Unternehmen zum Thema Datenschutz und digitale Transformation befragten.
Wichtigste Punkte waren die Fragen nach IT-Security und Datenschutz. Vier von zehn Firmen waren sich sicher, dass der Datenschutz die digitale Transformation behindern und das Inkrafttreten der DSGVO diese Hürden noch höher auftürmen würde. Die Bitkom-Umfrage nahmen seinerzeit viele Vertreter von Politik, Wirtschaft und Medien zum Anlass, auf die Wettbewerbsvorteile hinzuweisen, die der Datenschutz mit sich brächte. Hat sich das inzwischen nach Einführung der DSGVO und ersten Bußgeldern bewahrheitet?
Immer noch beherrscht Verunsicherung die Szene
Ein größeres Kundenvertrauen erwirbt das Unternehmen, dass vorbildlichen Datenschutz betreibt. Nehmen wir als Beispiel einen Finanzdienstleister: Hier ist derjenige erfolgreicher, der eine unangreifbare Datensicherung betreibt und so Mitbewerber hinter sich lässt, die mit Datenverlust und Angriffen von Hackern Schlagzeilen machen. Auch in anderen Branchen, glaubten Datenschutzexperten, würden Kunden die Bemühungen um Datenschutz mit Nachfrage honorieren. In einem Zeitungsinterview hat nun Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), einen anderen Ton angeschlagen. Datenschutzverordnungen, so der Arbeitgeber-Sprecher, würden fortgesetzt zu „Verwirrung und Unsicherheit“ führen, die schon bei der Produktentwicklung zu Tage träte. Um exorbitanten Bußgeldern vorzubeugen, setzten viele Unternehmen auf Privacy-by-Design-Lösungen, die vom Start weg auch den Datenschutz berücksichtigen. Dabei sollen Produkte und Services durch Datenvermeidbarkeit und Datensparsamkeit DSGVO-konform gemacht werden. Dabei wird nur betrachtet, in welcher Größenordnung personenbezogene Daten gespeichert und verarbeitet werden, was nicht zwingend einen Wettbewerbsvorteil nach sich zieht.
Neukunden kommen kaum, nur weil der Datenschutz vorbildlich funktioniert
Das Institut der Deutschen Wirtschaft führt regelmäßige Erhebungen durch. Im Report I/20 war zu lesen, dass die befragten Unternehmen das Gefühl haben, durch eine gesetzeskonforme Umsetzung der DSGVO keine Vorteile im Wettbewerb verzeichnet zu haben. An 862 Firmen wurde die Frage gerichtet, ob Neukunden aufgrund mustergültigen Datenschutzes hinzugekommen seien. 86 Prozent der Unternehmen beantworteten dies negativ. Zu den Skeptikern gehören viele Industrieunternehmen, die freilich eher weniger mit personenbezogenen Daten befasst sind. Doch auch zahlreiche Dienstleister sind im Lager der Zweifler zu finden. Möglicherweise sind das Firmen, deren Kunden weniger strikte Ansprüche an den Datenschutz haben und entsprechende Maßnahmen daher nicht eigens belohnten. Zumindest sehen 54 Prozent der befragten Unternehmen die DSGVO nicht explizit als Nachteil für ihre Geschäftstätigkeit – 34 Prozent aber sehr wohl. Die Umsetzung der Datenschutz-Bestimmungen erforderte in ihren Augen einen hohen Aufwand, führte aber dennoch zu Rechtsunsicherheit und Belastungen durch die Sorge vor drohenden Strafen. Als großer Nachteil wird angesehen, dass sich vermeintliche Vorteile in Luft auflösen, sobald sich Unternehmen in den Wettbewerb einklinken, deren Hauptsitz nicht in der EU liegt.
Muss die DSGVO für ALLE gelten?
Die Autoren des brisanten Papiers sehen die Regierungen in der Pflicht, die Unternehmen im Hinblick auf den Datenschutz stärker zu unterstützen. Die formulierte Ansicht: Die DSGVO müsste zum internationalen Standard werden und im globalen Wettbewerb als Vorbild zur Gestaltung nationaler und transnationaler Datenschutzregelungen dienen. Schließlich habe sich zuletzt erst der US-Bundesstaat Kalifornien in seinem neuen Datenschutzgesetz an der DSGVO orientiert. Bei sachlicher Betrachtung heißt dies also: Aus welchem Grund sollten nur hiesige Unternehmen unter „Datenschutz-Daumenschrauben“ leiden, während die anderen sich lächelnd wegdrehen?
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