Mozilla klärt über Datenschutzmissbrauch im Auto auf
Hauptsächlich ist das Label Mozilla als Entwickler des Browsers Firefox und des E-Mail-Clients Thunderbird bekannt. Hinter dem Unternehmen steht allerdings die Stiftung „Mozilla Foundation“, die sich sehr intensiv um Datenschutz-Themen kümmert.
Zeitgleich zur IAA in München erschien eine viel beachtete Studie, in der Mozilla die Datenschutzrichtlinien und -praktiken von 25 Automobilherstellern verglich. Das erschreckende Ergebnis: Jeder der untersuchten Fahrzeugproduzenten erhielt den Warneintrag „Privacy Not Included“. Zusammengefasst teilte Mozilla den Verbrauchern mit: „Die aktuellen Modelle der Autobauer sind aus der Sicht von Datenschützern katastrophale Datenkraken“.
Selbst das sexuelle Verhalten wird erfasst und gedeutet
Die Forscher der Foundation kommen zu dem Schluss, dass eine Vielzahl von digitalen Produkten, wie beispielsweise Gesundheits-Applications, sehr rustikal mit personenbezogenen Daten umgehen. Über letztere Problematik wurde auch auf dieser Plattform ausführlich berichtet. Nun aber erklärt die Stiftung: „Autos sind in puncto Datenschutz die übelste Produktkategorie, die wir je getestet haben“. Dies beginne bereits bei den Datenschutzrichtlinien der Hersteller, die offenbar so verfasst werden, dass sie niemand freiwillig studieren möchte. In ihnen werden schon mal Lesern Geldgeschenke versprochen oder von Autofahrern die Rechte eingefordert, genetische Informationen erheben zu dürfen. Dies ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Datenschützer und überschreitet sogar die Grenze des guten Geschmacks.
Auf die Spitze treibt es der japanische Fahrzeughersteller Nissan mit seinen Erläuterungen zum Datenschutz. Der japanische Konzern bedingt sich die Datenerhebung in den Kategorien „psychologische Tendenzen, Prädispositionen, Verhalten, Einstellungen, Intelligenz, Fähigkeiten und Eignungen“ aus – und zum Sexualleben der Fahrzeugnutzer. Dies wäre ein eklatanter Eingriff in die Privatsphäre und von keinem Datenschutzgesetz weltweit gedeckt. Weil aber offensichtlich Nissan-Käufer diese verschwurbelt formulierten Richtlinien nicht ernsthaft zur Kenntnis nehmen oder an deren Verwirklichung glauben, hat sich bislang auch kein Unmut unter den Kunden-Zielgruppen geregt. Das wird sich hoffentlich nach der Veröffentlichung der Studie gravierend ändern.
Zusatzgeschäft durch Datenhandel
Zwar müssen Fahrzeughalter bislang nicht damit rechnen, dass ihnen ein digitaler Fingerabdruck abgenommen wird, wenn sie ihr Fahrzeug nutzen. Allerdings sind die mit Elektronik gespickten Autos fähig, individuelle Nutzerprofile mit Eigenheiten des Fahrverhaltens zu erstellen. Was zudem möglich ist und auch erfolgt: die Erfassung der Daten der nationalen Herkunft, des Einwanderungsstatus, der religiösen Überzeugungen, des Körpergewichts und Gesundheitsstatus. Dank einer Vielzahl von Sensoren, Mikrofonen und Kameras in einem durchdigitalisierten Fahrzeug ist solches Datenabgreifen im Orwell’schen Stil schon heute möglich und wird von vielen Fahrzeugen praktiziert.
Und auch aus dem Grund für diese Datenerhebungen machen die Kfz-Hersteller keinen Hehl: Laut der Erhebung der Mozilla Foundation geben 84 Prozent der untersuchten Hersteller personenbezogene Daten an andere Unternehmen ab – häufig für Geld an Datenbroker. Auf entsprechende Anfrage würde die Hälfte der Automobilhersteller Daten von Fahrzeughaltern an Regierungen und Strafverfolgungsbehörden übermitteln. Lediglich die Marken Renault und Dacia gestatten es Fahrern, ihre persönliche Daten löschen zu lassen. 92 Prozent der Hersteller machen dies nahezu unmöglich. Das gleiche Desinteresse am Datenschutz wurde beim Umgang mit Sicherheitsbestimmungen, wie Verschlüsselungsmöglichkeiten beim Datentransfer, festgestellt. Auch hier klafft im Vergleich zu anderen Systemen, bei denen Daten erfasst und gespeichert werden, eine riesige Lücke, was den Datenschutz angeht.
Die US-Konzerne haben es vorgemacht
Warum sind die Autohersteller so scharf auf die Daten ihrer Käufer? Die Vorteile intensiven Datensammelns fürs eigene Geschäftsmodell fangen schon damit an, dass beispielsweise der Kontostand Rückschlüsse darauf ziehen lässt, wie ein künftiges Neuwagenangebot aussehen sollte. Die Werbung giert nach Verbraucherdaten. Vielleicht sind bald auf den Navigationskarten bestimmte Ziele, wie Geschäfte und Restaurants, prominenter dargestellt als andere – entweder durch eine Bezahlung von Platzierungsgebühren durch den Anbieter oder aber durch Profildaten, die der Hersteller mit dem Navigations-Anbieter teilt.
Im Vorfeld der Studie war zu befürchten, dass einmal mehr die Autobauer in den USA sich durch übermäßiges Sammeln von Daten hervortun – die Studie bestätigt dies mit dem Hinweis darauf, dass es dort nach wie vor keine nationale Datenschutzgesetzgebung im Sinne der europäischen DSGVO gibt. Konzerne müssen stets befürchten, in kostspielige Prozesse verwickelt zu werden. Da ist es einigen nur recht, sich von Kunden über die Bestätigung einer zuweilen ins Absurde laufenden Datenschutzerklärung einen Persilschein zur schrankenlosen Datenerhebung ausstellen zu lassen – wenngleich es zu einer Einwilligung des Fahrzeug-Käufers nicht mal eine rechtliche Grundlage gibt.
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