Digital Health Summit: Der Datenschutz verhindert teils eine bessere Medizin
Wer im Krankenhaus liegt, verdient per se besonderen Schutz. Das gilt auch für die personenbezogenen Daten sowie die Gesundheitsdaten des Patienten. Deshalb gelten im Klinikbereich zurecht besonders strenge Datenschutzregeln.
Doch was, wenn korrekt gehandhabter Datenschutz Menschen gesundheitlichen Schaden zufügt und sogar in Lebensgefahr bringt? Dieses vielen Medizinern unter den Nägeln brennende Thema bot auf dem diesjährigen Digital Health Summit des Münchner Klinikums rechts der Isar reichlich Stoff für Diskussionen. Denn es gibt in Sachen Datenschutz in den meisten Kliniken höchste Standards, die sich unter Umständen negativ auf den Dienst am Patienten auswirken.
Hohe Sensibilität der Daten in der Patientenakte
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Patientendaten im Darknet sogar wertvoller sind als Kreditkarten-Informationen. Entsprechend gut sind sie dort auch geschützt. Klassiker für Datenschutzthemen in der Klinik sind beispielsweise Telefonauskünfte, die aus datenschutzrechtlichen Gründen unterbleiben oder die Sicherstellung, dass spezielle Angaben nicht etwa zum Arbeitgeber oder einer Versicherung durchsickern und sich als nachteilig erweisen könnten. Was die Regelungen zur ärztlichen Schweigepflicht betrifft, so werden diese rigoros so gehandhabt, dass selbst Ehepartner nicht über Details zum gesundheitlichen Zustand des Gatten erhalten, wenn sie nicht zuvor eine Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht abgegeben haben. Hier fragt sich, ob nicht im Namen des Datenschutzes bei so manchem schwerwiegenden Krankheitsfall noch zusätzliches Leid geschürt wird. Es gilt also in der Klinik, Datenschutz hoch aufzuhängen, ohne dabei aber das Wohl des Patienten aus dem Blick zu verlieren.
Riesige Datenmengen
Der Digital Health Summit, der in diesem Jahr vom Münchner Klinikum rechts der Isar ausgerichtet worden war, wurde von 250 hochkarätigen Health-Profis besucht. Themen des Gipfels waren die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz oder der Einsatz von Robotern – und wie der Datenschutz im Rahmen der Digitalisierung ausschließlich zum Wohl der Patienten umgesetzt werden kann. Drei Tage kreisten die Fachgespräche um die digitale Revolution im Gesundheitswesen und deren Grenzen. Zu denen zählten nach Ansicht führender Krankenhausärzte auch die Datenschutzregelungen. Ein Münchner Oberarzt führte aus, dass große Datenbestände in Kliniken aus Datenschutzgründen brachlägen und damit für die Forschung nicht zur Verfügung stehen. Selbst wenn es sich um Daten handelt, die im eigenen Haus gesammelt wurden. So sei es etwa nicht möglich, Studien zum Zeitraum künftiger Corona-Erkrankung von viermal geimpften Patienten anzustellen. Diese Datenschätze müssten aber nutzbar gemacht werden, lautet eine Forderung der Gipfelteilnehmer. Selbstverständlich mit dem gebotenen Schutz und der Anonymität, auf die Patienten ein Anrecht haben.
Verbesserungspotenzial bei der Therapieauswahl
Ein Fazit des Summits lautete: Wegen seiner rigiden Datenschutz-Regularien vergibt Deutschland Chancen auf die bestmögliche Therapie. Jedoch müsse die IT dem Ziel dienen, den Patienten wieder in den Mittelpunkt zu rücken – könne diese Aufgabe aber datenschutzrechtlich nicht erfüllen. Ein Kölner Softwareentwickler warf ein: „Wenn wir Daten nicht nutzen, lassen wir Menschen sterben.“ Intelligente IT-Lösungen seien für den medizinischen Fortschritt verfügbar, der politische Wille und die Vorbehalte der Datenschützer verhinderten jedoch deren Anwendung in Deutschland. Es müssen also Prozesse entwickelt werden, die einen effektiven Datentransfer zwischen Instituten, Forschungseinrichtungen und Kliniken ermöglichen, ohne die Datenschutzrechte von Patienten zu untergraben.
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