Datenschutzwissen

In Hamburg ist die Bezahlkarte für Asylbewerber schon eingeführt – allerdings mit Bedenken bei der Handhabung

Insgesamt 14 Bundesländer haben einen Konsens darüber gefunden, im Laufe dieses Jahrs die Bezahlkarte für Asylbewerber zu realisieren. Hamburg ist dabei Vorreiter und hat das System bereits eingeführt. Diese Karten werden „SocialCards“ genannt und sollen unter anderem dazu beitragen, dass die Empfänger der Leistungen tatsächlich ihren Lebensunterhalt mit den Leistungen bestreiten, statt größere Geldbeträge in ihre Heimatländer zu überweisen. Das ist Kritikern des Leistungskonzepts via Kontoüberweisung schon lange ein Dorn im Auge.

Vor der Einführung hatte sich der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) intensiv mit den datenschutzrechtlichen Aspekten der Bezahlkarte beschäftigt und kam zu folgender Einschätzung:

Generelle Einstufung

Generell stufte die Hamburger Behörde die SocialCard aus datenschutzrechtlicher Sicht als vertretbar ein.

Begründung (im Wortlaut): „Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in der Europäischen Union aufhalten, gleichermaßen zu. Danach bedarf es unabhängig von der jeweiligen Nationalität der Leistungsberechtigten einer Rechtsgrundlage für die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Mangels spezialgesetzlicher Regelungen ist die einzige derzeit in Betracht kommende Rechtsgrundlage für die im Zuge der Leistungsgewährung über die Bezahlkarte anfallende behördliche Verarbeitung personenbezogener Daten der Art. 6 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 gemäß DSGVO i. V. m. § 4 Hamburgisches Datenschutzgesetz (HmbDSG).“

Das bedeutet: Die „Eingriffstiefe“, mit der die erforderlichen Tätigkeiten durch die beteiligten Behörden vorgenommen werden, ist laut HmbBfDI rechtlich vertretbar. Sofern Datenverarbeitungen zur Erfüllung der im AsylbLG festgelegten behördlichen Aufgaben der im Zusammenhang mit der Bezahlkarte unabdingbar sind, hält der HmbBfDI § 4 HmbDSG als Rechtsgrundlage für grundsätzlich geeignet. Vereinfacht gesagt: Die Übertragung von bisherigen analogen Tätigkeiten in die digitale Welt stellt keinen gravierenden Unterschied dar.

Datenschutzrechtliche Bedenken

Allerdings sei es nicht vertretbar, dass Behördenmitarbeiter sich ohne Einwilligung der Betroffenen nach eigenem Gutdünken Kontobewegungen ansehen – dazu bedarf es einer gesetzlichen Grundlage.

Begründung (Zitat): Es können jedoch keine weitergehenden Verarbeitungen als die zur Aufgabenerfüllung zwingend erforderlichen auf § 4 des HmbDSG gestützt werden. Soweit sich mit Einführung der Bezahlkarte vollkommen neue behördliche Handlungsmöglichkeiten technischer Art ergeben, werden diese von der Generalklausel nicht mehr aufgefangen. Nicht alles, was technisch möglich ist, wird vom geltenden Recht auch erlaubt. Nach geltendem Recht wäre insbesondere eine selbstständige Einsichtnahme der Verwaltung in das Guthaben auf dem Kartenkonto der betroffenen Personen unzulässig. Soweit der aktuelle Guthabenstand zur Aufgabenerfüllung ermittelt werden muss, ist auf die Mitwirkungspflicht der Leistungsberechtigten nach § 9 Abs. 3 AsylbLG hinzuweisen. Dies könnte beispielsweise durch aktives Vorzeigen des Kontostands in der Smartphone-App oder durch Einloggen auf einem (Behörden-)Computer in das Kartenkonto dargestellt werden, setzt jedoch die Zustimmung des Betroffenen voraus. Allein eine daran anschließende Datenverarbeitung (Datenerhebung und -verwendung) seitens der Ausländerbehörde wäre dann wiederum von § 4 HmbDSG gedeckt.

Verfassungsschutzrechtliche Fragen

Hier weist die Hamburger Datenschutzbehörde darauf hin, dass verfassungsrechtliche Fragen dazu zunächst zu klären seien.

Begründung (Zitat): Mit Blick auf die zurzeit diskutierte künftige Schaffung entsprechender Rechtsgrundlagen auf Bundesebene bestehen nach Ansicht des HmbBfDI verfassungsrechtliche Hürden:

„Der direkte Zugriff auf das aktuelle, persönliche Vermögen eines Betroffenen (Kontostandseinsicht) ist ein massiver Eingriff in die Datenschutzrechte der betroffenen Leistungsberechtigten. Ein solcher Eingriff darf nur erfolgen, wenn er verhältnismäßig ist. Dies bedeutet zunächst, dass der Gesetzgeber einer Begründungspflicht unterliegt, die über Mutmaßungen hinausgehen muss. Auch bedürfte es klar bestimmter tatbestandlicher Voraussetzungen, die sicherstellen, dass sich der Eingriff auf ein möglichst geringes Maß beschränkt“.

Auch bedenkenswert schildert das HmbBfDI „den Eindruck einer kontinuierlichen Überprüfung“, unter dem die unfreiwillig kontrollierten Asylbewerber leiden könnten. Dies könnte zu erheblicher Unsicherheit der „Überwachten“ führen, was sich beispielsweise auf die Freiheit persönlicher Kaufentscheidungen auswirken könnte. Diese Praxis würde dem „Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe“ des Leistungsempfängers widersprechen, die vom Bundesverfassungsgericht als verpflichtend definiert wurde (BVerfG, Urt. v. 18. Juli 2012).

Fazit

Auch wenn die generelle Einführung der Bezahlkarte rechtlich auf soliden Füßen steht, weist das HmbBfDI darauf hin, dass ein kontinuierliches Einsehen der Kontostände Betroffener bislang rechtlich nicht zulässig ist. Da die meisten Bundesländer die Bezahlkarte noch nicht eingeführt haben, bleibt mit Spannung zu erwarten, wie die Datenschutzbehörden der übrigen Länder die Kontostandseinsicht regeln. Vermutlich wird davon auch die Einführung in dem einen oder anderen Bundesland abhängen.

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